Allianzen in der Drogenpolitik
May. 2014Alliances – opportunities and limitations
Erfolgreiches Vier-Säulen-Modell. Spricht man in der Gesundheitspolitik von Allianzen, kommt man nicht umhin, einen Blick auf die schweizerische Drogenpolitik und die Durchsetzung der Viersäulenpolitik in den 1990er-Jahren zu werfen. Galten die offenen Drogenszenen in den 1980er-Jahren teilweise noch als guter Umgang mit dem «Drogenproblem», sah man am Ende jener Dekade ein, dass ohne umfassende Hilfestellungen für die Drogenkonsumierenden die Zahl der Drogentoten weiter ansteigen und HIV sich weiter ausbreiten würde. Schnell wurde klar, dass das Drogenelend gleichermassen ein gesundheits-, ein sozial- und ein ordnungspolitisches Problem ist. Die damals geschmiedeten Allianzen zwischen Fachleuten, Behördenvertretern und der Politik sorgten für eine breite Akzeptanz der schweizerischen Drogenpolitik. Und sie haben bis heute Bestand.
Die Platzspitzschliessung im Jahr 1991 machte es deutlich: Die Kräfte der öffentlichen Sicherheit waren nicht in der Lage, das Drogenproblem, welches die Schweiz bewegte, allein zu lösen. Die Auswirkungen des Drogenkonsums auf die Konsumierenden und auf die Gesellschaft waren derart gravierend, dass ein neues Gleichgewicht zwischen sozialen und gesundheitlichen Interventionen sowie der öffentlichen Sicherheit gefunden werden musste. Die – damals noch so genannte – Drogenhilfe, soziale Einrichtungen, medizinische Zentren, die offene Jugendarbeit, die Ordnungs- und die Kriminalpolizei sowie Akteure aus dem Bildungs- und anderen Bereichen fanden sich in Koordinationsgremien wieder, die im Auftrag der Politik Formen für ihre Zusammenarbeit finden mussten. Es ging darum, eine Alternative zur bisherigen abstinenzorientierten und einzig auf die Vertreibung der Konsumierenden ausgelegten Drogenpolitik zu finden.
Paradigmenwechsel, Schadensminderung
National und international warfen die Angebote der Schadensminderung, wie sie damals in fast allen grösseren Städten der Schweiz eingerichtet wurden, hohe Wellen. Es stellten sich Fragen wie: Ist es ethisch und gesetzlich zulässig, Süchtigen Spritzen abzugeben oder ihnen gar Heroin zu verabreichen, damit sie dem Beschaffungsstress weniger ausgesetzt sind? Darf die Polizei solches Tun zulassen und wenn ja, unter welchen Umständen? Verschiedene Studien haben aufgezeigt, dass die Schadensminderung und mit ihr Konsumräume, Substitutionsbehandlungen und Tagesstrukturen deshalb auf breite politische Akzeptanz stiessen, weil sie den öffentlichen Raum befriedeten und gleichzeitig die gesundheitlichen und sozialen Probleme der Abhängigen eindämmten. Was in der Politik bald unter dem Stichwort der Viersäulenpolitik diskutiert wurde, war in der Praxis die Suche nach gemeinsamen Lösungen von Ordnungs-, Gesundheits- und Sozialbehörden, die ursprünglich entgegengesetzte Ziele verfolgt hatten. Das führte dazu, dass die schweizerische Drogenpolitik auf fachliche, behördliche und politisch breit abgestützte Allianzen bauen konnte. Mit dieser grossen Akzeptanz konnte sich schliesslich die Schadensminderung etablieren, die für alle spürbare Verbesserungen mit sich brachte.
Nachhaltige Strukturen
Die damals aufgebauten Koordinationsorgane haben bis heute fast überall in der einen oder andern Form Bestand. Auf der Ebene des Bundes vernetzen sich die Akteure der schweizerischen Suchtpolitik bis heute im Rahmen der Koordinations- und Dienstleistungsplattform Sucht (KDS), die der Bundesrat 1996 ins Leben rief. Die Arbeit der KDS hat im Vergleich zu den 1990er-Jahren einiges an politischer Brisanz verloren und die offenen Drogenszenen von damals sind heute verschwunden. Doch die Allianzen müssen weiterhin ständig erneuert und neuen Umständen angepasst werden, damit die Sucht- und Drogenpolitik weiterhin von Politik und Gesellschaft gestützt wird. Bis heute ist es die zentrale Aufgabe aller involvierten Akteure, ein Gleichgewicht zwischen Massnahmen der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Gesundheit zu finden, und zwar auf Ebene der Politik, der strategischen Entscheide und in der konkreten Zusammenarbeit.
Contact
Astrid Wüthrich, Sektion Drogen, astrid.wuethrich@bag.admin.ch